Mein Leben mit der chronischen Erkrankung Mastzellaktivierungssyndrom – ein ganz persönlicher Beitrag

Ihr wisst ja schon, dass ich erkrankt bin und meine Redaktionstätigkeit komplett eingestellt habe. Auch meine Tätigkeit als Pädagogin kann ich nicht mehr ausüben. Aber warum und was bedeutet das? Das möchte ich versuchen ein bisschen zu erläutern – eine Art therapeutisches Schreiben vielleicht.

Bei mir begann die Krankheit sich vor allem durch immer wiederkehrende Muskelschmerzen zu manifestieren. Die Schmerzen sind so stark, dass normale Schmerzmedikamente wirkungslos bleiben, schlafen lässt es sich damit selbstredend nicht.

Die Suche nach der Ursache begann im Rheumaspektrum, aber nach erfolgloser Behandlung wurde klar, dass ich keine Erkrankung aus diesem Bereich habe. Auch Fibromyalgie konnte irgendwann ausgeschlossen werden.

Inzwischen wurde eine genetisch begründete Muskelerkrankung gefunden, deren Erforschung noch nicht weit fortgeschritten ist. Das wird natürlich weiter beobachtet, begründet aber wahrscheinlich, wieso meine Muskulatur so stark betroffen ist.

Die Internistin, die meine Schilddrüse behandelt, brachte mich irgendwann auf die Idee, dass die Mastzellen beteiligt sein könnten. Ich weiß noch, wie ich mich in einer schlaflosen Nacht in das Thema MCAS eingelesen habe und dann ganz aufgeregt meinen Mann geweckt habe: Das ist es!

Die Symptome von MCAS, dem Mastzellenaktivierungsyndrom, begleiten mich schon mein ganzes Leben – vieles habe ich nur einfach nicht so wahrgenommen.

Die Symptome sind extrem vielfältig: Blutdruckschwankungen, Synkopen, Herzrasen, Herzklopfen und Schwindel, Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall sind häufig, Gastritis und Gastroenteritis kommen vor, aber auch juckende Augen, verstopfte Nase, zuschwellender Hals, gereizte Schleimhäute, Kurzatmigkeit oder Asthma, Tinitus ist möglich, Juckreiz und Hitzewallungen, Urtikaria, Muskelschmerzen, Verspannungen, Gelenkschmerzen, Restless Legs, Tremor und nicht zuletzt die schwere Erschöpfung namens Fatigue.

Ehrlich gesagt reicht z. B. schon Schwindel oder Arrhytmie am Herzen aus, um einem den Tag komplett zu vermiesen – tagelang liegt man dann danieder.

Alle diese Symptome können durch unterschiedliche Trigger ausgelöst werden. Und wenn ich mich rückbesinne, wird mir klar, was alles davon bei mir schon zu Problemen geführt hat.

„Wie auch bei der Mastozytose gibt es zahlreiche Auslöser (sogenannte Trigger), die auch von Betroffenem zu Betroffenem variieren können.

Als Trigger wurden schon beschrieben:

  • Medikamentenunverträglichkeiten
    • Insbesondere auch bei Salicylaten
    •  Kodein, Polymyxin B, Morphium, Dextran, Aspirin, Alkohol, Farbstoffe, Lokale Betäubungsmittel, Röntgenkontrastmittel. Besondere Vorsicht ist empfohlen bei Narkosen, da auch einige der üblicherweise für die Anästhesie verwendeten Medikamente Histaminfreisetzungen auslösen können.
    • Insektengift, Tiergift
      • Bienen, Wespen, Quallen, Schlangen, etc.
    • Nahrungsmittel & Gerüche
      • Histaminhaltige Lebensmittel wie Käse, Fisch, Geräuchertes
      • Konservierungsmittel
      • Farbstoffe und künstliche Aromen
      • starke Gerüche
      • heiße, scharfe Speisen
      • Alkohol
    • physische Faktoren
      • Temperaturwechsel, Hitze, Kälte, Sonnenlicht
      • Reibung, Ruckeln, Massagen, Physio
      • körperliche Anstrengung, Sport
    • psychische Faktoren
      • Aufregung, emotionaler Stress
      • Schlafmangel
    • Infektionen
      • insbesondere virale Infekte
    • Hormone
      • Schilddrüse, Zyklus
    • Allergene und Impfungen

So, wer sich durch diesen ganzen Text gelesen hat, der weiß nun, dass MCAS tückisch ist – schwer zu diagnotizieren (kennt kaum einer, obwohl wahrscheinlich 17 % der Bevölkerung betroffen sind), Auslöser sind schlecht oder gar nicht zu vermeiden und das Ganze ist leider noch dazu nicht gut zu behandeln. Man versucht zwar die Trigger zu vermeiden, was beispielsweise bei histaminreicher Nahrung noch machbar ist, aber bei Hitze oder auch (positivem) Stress echt schwierig bzw. unmöglich. Medikamentös sind das vorallem Antihistaminika, die zur Anwendung kommen, aber eine echt Behandlung gibt es (noch) nicht.

Zudem steht eine ME/CFS-Erkrankung im Raum, die ich immer noch nicht so recht wahrhaben will. Aber die massive Fatigue macht definitiv Probleme und Crashs sind leider eher die Regel geworden als eine Ausnahme. Wer mich besser kennt ahnt, dass Pacing als oft wirksames Mittel gegen diese Crashs für mich extrem schwer ist. Ich arbeite dran …

Aber was bedeutet das alles im Alltag für mich? Viele von euch kennen mich über die Pferde. Mein (fast) ganzes Leben haben mich meine Hunde und Pferde begleitet, ich hatte bis zu drei eigene Pferde, habe sie jahrelang in Eigenregie gehalten und u. a. Wettkämpfe bis ins internationale Niveau im Distanzsport bestritten.

In den letzten Jahren haben die Einschränkungen schon dazu geführt, dass ich nur noch freizeitmäßig geritten bin und ganz zum Schluss zwei Fohlen aus der wunderbaren Canela gezogen habe. Leider wurde mir auch der regelmäßige Umgang mit dem Pony zu viel, die Versorgung und Bewegung bei Hitze und Kälte (siehe Trigger) haben mich völlig überfordert. Jahrelang habe ich herausgezögert, was ich nicht wahrhaben wollte – Pferdehaltung geht für mich nicht mehr.

Canela ist in ein ganz tolles neues zu Hause gezogen. Ich vermisse sie sehr. Es fällt mir schwer, diese Zeilen zu schreiben. Aber es ist so, ich lebe ohne das beste Pony der Welt.

Und ich kann keine längeren Strecken mehr gehen, nicht lange stehen. Also weder wandern, noch lange Spaziergänge mit meinem Hund Paul machen. Ohne meinen Mann könnte ich den Paul auch nicht mal mehr ansatzweise auslasten.

Inzwischen versuche ich, mir zumindest mein Hobby Reisen zu erhalten. Da ich keine langen Strecken mehr fahren kann, bei MCAS wird dazu geraten nicht länger als 1,5 Stunden im Auto zu sitzen, da die Erschütterungen die Mastzellen triggern, versuche ich nahe Ziele zu finden oder etappenweise zu fahren.

Das Wohnmobil ist mein Versuch, mir das zu ermöglichen: Reisen und vielleicht auch mal gute Freunde zu besuchen, die etwas weiter weg wohnen. Bisher klappt das leider nur so mäßig, einen Versuch Freunde in der alten Heimat Baden-Württemberg zu besuchen, musste ich abbrechen und mich unterwegs abholen lassen. Der Verlust der Unabhängigkeit ist nicht leicht für mich.

Und seien wir ehrlich: soziale Teilhabe ist als erstes weg. Mit meiner Erkrankung sitzt man nicht mehr abends in der Kneipe und trinkt ein Bierchen, man besucht auch keine Konzerte mehr und steht dort mehrere Stunden bei lauter Musik. Man besucht keine Partys und wenn die anderen Feierabend haben und sich über ein Treffen freuen würden, liegt man völlig erschöpft auf dem Sofa – wartend auf die nächste schmerzhafte, schlaflose Nacht.

Wenn man doch mal verabredet ist, die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man ziemlich sicher kurzfristig ab, weil man einfach nicht mehr kann (sorry, ich bin eigentlich nicht unzuverlässig!). Eine chronische Erkrankung schränkt ein, auch wenn man sie auf den ersten Blick nicht sieht …